Wednesday, February 08, 2006

Zielgruppe erreicht


Dänische Muslime konnten erst mit Hilfe islamischer Staaten öffentlichkeitswirksam klar machen, was sie von zu viel Provokation halten. von bernd parusel, stockholm

Ich habe es satt, dass man allen möglichen Wahnvorstellungen und verrückten Ideen gegenüber Respekt zeigen soll, nur weil sie sich ›Religion‹ nennen.« Der Satz, den Abba-Star Björn Ulvaeus vor einigen Wochen in einem Interview der schwedischen Zeitschrift Humanisten sagte, fand sicher nicht überall Zustimmung. Morddrohungen hat Ulvaeus aber nicht bekommen, und dass Abba-Platten zertrampelt wurden, ist auch nicht bekannt.
Hat sich die Redaktion eines konservativen Blattes in Aarhus etwas Ähnliches gedacht, wie Ulvaeus, als sie im September Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed publizierte? Wollte sie einfach mal keinen Respekt zeigen und ein bisschen herumtrampeln? Der Schriftsteller Kåre Bluitgen hatte im Fernsehen berichtet, er habe Mühe, Illustratoren für ein Kinderbuch über Mohammed zu finden. Aus Angst zu provozieren, wage es keiner, einen solchen Auftrag anzunehmen. Da kam der Kulturredakteur Flemming Rose auf die Idee, Karikaturisten in seiner Zeitung darstellen zu lassen, wie der Prophet des Islam ihrer Meinung nach aussehe. Ob Rose nebenbei testen wollte, was die muslimische Minderheit in Dänemark an Provokation ertragen würde, wie andere Medien vermuteten, sei dahingestellt. Zwölf Zeichnungen wurden veröffentlicht. Sie sollen witzig sein, einige davon stellen auch einen Zusammenhang zu islamistischem Terror her.
Die Bilder, zusammen mit der Weigerung der rechtsliberal-konservativen dänischen Regierung, dazu Stellung zu beziehen, gingen – zunächst langsam – um die Welt und lösten vergangene Woche einen kaum für möglich gehaltenen Aufruhr aus. Allerdings waren dänische Muslime zwischen Ende Dezember und Anfang Januar in den Nahen Osten gefahren. Im Gepäck hatten sie die Karikaturen und, wie die dänische Zeitung Ekstra Bladet berichtet, auch einige härtere Zeichnungen, die nie in Jyllands-Posten abgedruckt worden waren.
Anfang vergangener Woche sah sich Jyllands-Posten gezwungen, angesichts zum Teil gewaltsamer Proteste und eines Boykotts dänischer Waren den Rückzug anzutreten. Die Zeitung entschuldigte sich, »unabsichtlich viele Muslime beleidigt« zu haben. Auch der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen erklärte, nachdem er unter Hin­weis auf die Pressefreiheit lange eine Stellungnahme verweigert hatte, er würde niemals Jesus oder Mohammed in einer Weise darstellen, die gläubige Menschen verletzen könne.
Inzwischen ist klar, dass die versöhnlichen Töne nicht geholfen haben. Einige Vertreter der islamischen Gemeinde in Dänemark bedankten sich zwar ausdrücklich für die bedauernden Worte und signalisierten ein Ende der Proteste. Er wolle sich nun für einen Austausch zwischen dänischen und arabischen Journalisten einsetzen, sagte ein Imam vergangene Woche, und Naser Khader, der für die sozialliberale Partei Radikale Venstre im dänischen Parlament sitzt, kündigte an, als Gegengewicht zu radikalen Imamen ein Netzwerk zu gründen, das eine »dänische Form des Islam« entwickeln soll. Andere Muslime sind jedoch erbost, dass die Entschuldigung erst kam, als die dänische Wirtschaft wegen des Warenboykotts in Saudi-Arabien Schaden nahm, und nicht schon vorher, als es »nur« um die verletzten Gefühle von Moslems ging.
Im Nachbarland Schweden, wo viele Zeitungen die Weigerung von Jyllands-Posten, an der Meinungs- und Pressefreiheit zu rütteln, unterstützt hatten, wurde die Entschuldigung bei den Muslimen weithin als Kapitulation vor Einschüchterungsversuchen und vor dem Verlust von Exporteinnahmen der Wirtschaft aufgefasst. »Die dänische Pressefreiheit hat einen Preis. Man kann ihn in Butter, Milch und Drohgebärden angeben«, meinte etwa die schwedische Tageszeitung Aftonbladet unter Hinweis darauf, dass der Molkereikonzern Arla Foods in den Golfstaaten Umsatzeinbußen erlitt.

jungle-world.com

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