Friday, March 10, 2006

Antwort auf Gremliza




Von Horst Pankow

Ein engagierter Kommentator sollte sich zu helfen wissen. Ist er zusätzlich auch ein routinierter Kommentator, weiß er sich zu helfen. Einen richtigen Gedanken, der sich partout nicht mehr in einem nahezu abgeschlossenen Kommentar unterbringen lassen will, weil dessen Inhalt in eine andere Richtung weist, hängt der gleichermaßen engagierte wie routinierte Kommentator – in ein elegantes Postscriptum verpackt – einfach an den Schluß seines Textes. Übrigens ganz und gar nicht zum Mißvergnügen des sympathisierenden Lesers, vor allem wenn der sich vom Kommentar anderes, ja mehr erhofft hatte.Hermann Gremlizas postscriptale Aufforderung, die Distanzierung von religiösem Unfug zur Voraussetzung einer Gewährung von Asyl- und Staatsbürgerstatus zu machen (KONKRET 2/06), fand meine volle Zustimmung. (Wenngleich ich wahrscheinlich in der Praxis wenig rigoros gestimmt wäre: Harmlose religiöse Spinner, die dem Antisemitismus abhold sind, die ihren bizarren Ritualen nur mit erwachsenen Freiwilligen frönen und auf gewalttätigen Erhalt und die Ausweitung der eigenen Reihen ebenso verzichten wie auf Zwangsverheiratungen, Ehrenmorde und Genitalverstümmelungen, könnten sie meinetwegen ruhig durchwinken.) Und auch ich würde mir das fadenscheinige Gewand des Politikberaters nur mit ironisch-distanzierenden Verrenkungen überstreifen wollen, denn Gremliza hat ja recht: Der Intellektuelle als »Hilfsorgan des Polizeiministers« ist ein tatsächlich verachtenswertes Wesen.Aber man wird ja nicht gleich zum denkenden Büttel der Staatsmacht, wenn man die aus ihrer Souveränität entspringenden möglichen Optionen betrachtet und zum Ergebnis kommt, daß sie, statt auf Variante A zu setzen, auch noch die B- und C-Versionen zur Verfügung hat und eine staatliche Entscheidung für eine dieser Versionen durchaus unseren aktuellen Interessen nicht zuwiderlaufen müßte. Nehmen wir doch Gremlizas Idee, einmal Politikberater zu spielen, beim Wort und stellen uns vor, wir würden öffentlich sagen: Wenn der Staat sich entschlösse, keine religiösen Fanatiker, sprich Muslime – mit der Mär vom moderaten Muslim und der säkularen Muslima möge man uns bitte verschonen –, mehr ins Land zu lassen, würde das nicht nur uns eine gewisse Erleichterung verschaffen. Wir bekämen Ärger, und der Vorwurf der Grundgesetzwidrigkeit wäre noch der geringste.Der unweigerlich erhobene Vorwurf Rassismus! würde uns nicht nur das politische Leben zur Hölle machen, das uns dann verliehene Stigma Rassist! würde uns weitgehend isolieren. Mit der Geste eines Staatsanwalts, der um die Verworfenheit des Verdächtigen zu wissen meint, auch wenn dem nichts nachzuweisen ist, würde unsere Frage »Um welchen Rassenkokolores soll es denn diesmal gehen?« lässig vom Tisch gewischt werden. Unser Hinweis, Islamanhängerschaft habe doch nichts mit irgendwelchen unveränderlichen, gar biologischen Merkmalen zu tun – nur unter der Voraussetzung solcher Annahmen entfaltet Rassenwahn seinen (Irr-)Sinn –, und auch der umtriebigste Genforscher habe noch nicht beansprucht, das »Muslimgen« entdeckt zu haben, wird als Ausrede verbucht werden. Unsere Feststellung, fürs Muslimsein müsse sich jeder jeden Tag aufs neue entscheiden, wie für irgendeine beschissene Nation, würde wohl gar nicht mehr zur Kenntnis genommen. Bestenfalls würde uns vorgehalten, daß wir den Leuten ihr »Recht auf Differenz« absprächen; ja, wenn’s um Recht auf barbarische Menschenquälerei geht, würden wir antworten, und das wäre dann der letztgültige Nachweis unseres Rassismus!.Hermetisch, tautologisch und vor allem der eigenen ideologischen Hegemonie gewiß, würde uns eine islamophile Allianz gegenüberstehen, deren Bandbreite sich von den (Neo-)Nazis bis zu aktivistischen Linksradikalen erstreckte und zwischen diesen Polen das gesellschaftlich relevante politische Spektrum versammelte: alle die, die für die Rettung des Saddam-Hussein-Regimes auf die Straße oder sonstwie an die Öffentlichkeit gingen, alle die, die ihre Sympathie für die weibliche Zwangsvermummung als Protest gegen ein imaginiertes »Kopftuchverbot« artikulierten, alle die, die jetzt gegen die vom Baden-Württembergischen Innenministerium initiierte Befragung islamischer Einwanderungswilliger als »diskriminierenden« und – selbstverständlich – »rassistischen« »Gesinnungstest« Stimmung machen. Und – wie könnte es auch anders sein – all diejenigen, die gerade mit Verve sich daran machen, die Machtergreifung der Hamas in den palästinensischen Autonomiegebieten als bedenkenlos, weil demokratisch legitimiert und vor allem vom verabscheuten Israel verschuldet, darzustellen. Wir bekämen es also mit der gesamten Gruselmischpoke dieses unheimlichen Deutschlands zu tun.Vor dem Hintergrund dieses erwartbaren Szenarios scheinen mir Gremlizas Einwände gegen den »Muslimtest« seltsam »aus der Zeit« zu fallen. »Du sein nicht empfehlenswert« auf der Titelseite und die Wiedergabe eines uralten »Spaghettifresser«-Witzes sind doch Archaismen angesichts einer Gesellschaft, die sich durch »Multikulturalität« – das heißt den Willen zur unbedingten Anerkennung auch explizit zivilisationsfeindlicher Gepflogenheiten, solange diese von »authentischen« Vertretern irgendwie homogen erscheinender »Communitys« ausgeübt werden – interessanterweise hinreichender repräsentiert wähnt als durch alle im Kalten Krieg leichtfertig liebgewonnenen Bekenntnisse zu »westlichen Werten«.Daß es dem Staat, seinen Politikern, seinen berufenen wie selbsternannten Schranzen um »Unterwerfung, Zurichtung, sicherheitshalber« geht – auch im Fall des »Muslimtests« –, ist so richtig wie banal; worum sollte es sonst Staat, Politikern und Beratern auch gehen? Diese Minimalerkenntnis wird – wenngleich mehr insistent als eloquent – auch von, beispielsweise, Autoren des »Gegenstandpunkt« verkündet, ist also nichts besonders Sensationelles. Zurichtung gehört nun mal zu den vornehmsten Aufgaben eines Staates.Die besondere, durch den »Muslimtest« intendierte Art der »Zurichtung« gelte es vielmehr darzustellen. Doch wahrscheinlich ist da nicht viel zu holen, jedenfall nichts, was das bisherige Niveau emanzipatorischer Staatskritik wesentlich überschreiten und bereichern würde. Der »Muslimtest« wird, zumindest in der vorgelegten Form, wohl nie praktiziert werden. Zu stark erscheinen – jedenfalls aktuell – die Widerstände aller hierzulande relevanten politischen Lager. Doch immerhin hat er, abgesehen von drei demokratisch-politreligiösen Fragen zur Verfassungs- und Demokratietreue, wichtige, angesichts der islamistisch-autoritären Offensive dringliche Probleme thematisiert: Wie hältst du’s mit deiner und deiner Angehörigen Selbstbestimmung in sozialen, familiären und sexuellen Angelegenheiten, wie mit Antisemitismus und Rassismus. Für Deutschland, für ein deutsches Innenministerium, ist das etwas Beachtliches, das sich auch durch den Hinweis auf die ultradeutsche Superidentifikation einer »Muslimtest«-Autorin (Necla Kelek) nicht so einfach abtun läßt.»Kann nicht mal ein türkischer Halbstarker dem ihn ausfragenden Oettinger die übliche Gegenfrage stellen: ›Bist du schwul, oder was?‹«, fragt Gremliza, und die ihn offenbar inspirierenden westeuropäischen Filme der sechziger und siebziger Jahre spulen sich vor den offenen Augen des Lesers irgendwie automatisch ab. Damals ging es um die subversiv begriffene Ambivalenz der Filmakteure. Heute hingegen ist Eindeutigkeit angesagt: Wem etwa von einem »türkischen Halbstarken« in Kreuzberg oder Neukölln eine solche Frage gestellt wird, hat guten Grund, um sein Leben oder zumindest körperliche Unversehrtheit besorgt zu sein.

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