Thursday, October 19, 2006

Salman Rushdie: "Brauchen mehr Cartoons wie die in Dänemark"

Am Mittwochabend diskutierte der Schriftsteller im Waldviertel mit STANDARD-Außenpolitikchefin Gudrun Harrer
Heidenreichstein –- "Ich habe immer noch Probleme, religiöse Eiferer ernst zu nehmen. Vielleicht ist das sogar richtig so und wir brauchen in Wahrheit noch mehr Cartoons wie die in Dänemark." Also sprach Salman Rushdie.
Der britisch-indische Autor unterhielt sich Mittwoch abend im Rahmen des Literaturfestivals "Literatur im Nebel" in Heidenreichstein entspannt und ohne Bodyguards mit Standard-Außenpolitikchefin Gudrun Harrer über Kulturbrüche zwischen Ost und West, über eine aufgesplitterte, immer komplizierter werdende Welt und seinen jüngsten Roman "Shalimar der Narr".
Generell ortete Rushdie einen "Mangel an Kultur" in vielen Weltreligionen. "Als ich ein junger Mann war, bin ich aufgewachsen in einer Welt, in der Kultur etwas Weltliches war", erinnert sich Rushdie. "Religion war damals uncool, ein Revival der Religion als wichtige Kraft in der Weltpolitik schien undenkbar." Jedoch: "Während wir cool waren und inhalierten, haben die Uncoolen die Welt übernommen. Das ist jetzt das Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen."
Die Gründe für Gewalttätigkeit seien vielfältig und nicht nur ideologisch erklärbar. Manchmal sei Terror die einzige bezahlte Arbeit, die zu erhalten sei. Manchmal stehe verletzte Männlichkeit dahinter. Letztlich, so Rushdie, sei es eine Frage des Charakters, ob jemand gewalttätig werde oder nicht. Die Menschen seien eben nicht alle gleich. Zudem wies er darauf hin, dass "die Ersten, die vom radikalen Islam unterdrückt werden, die Moslems sind".
Rushdie weilt auf Einladung des ehemaligen Kulturministers Robert Scholten in Heidenreichstein. Dieser hatte Rushdie 1994 trotz der über ihn verhängten Fatwa in Wien den österreichischen Staatspreis für europäische Literatur verliehen. Eine Zeit lang hielt sich Rushdie damals auch im Weinviertel versteckt. Hier richtet Scholten nun zusammen mit Robert Schindel erstmals das Festival "Literatur im Nebel" aus. Es beleuchtet Leben und Werk eines Autors en detail.
Zum Einstand am Mittwoch hat sich viel Kultur-, Medien- und Politprominenz eingefunden: Robert Menasse, Michael Köhlmeier, Danielle Spera, Franz Vranitzky lasen und referierten. Alfred Gusenbauer plauderte am Rande des Lesereigens angeregt mit Salman Rushdie. Heute, Donnerstag, geht die "Literatur im Nebel" mit Auftritten u.a. von Peter Turrini, Erika Pluhar, Marie Zimmermann zu Ende.
Das ganze Gespräch mit Salman Rushdie lesen Sie am Freitag im STANDARD. (Sebastian Fasthuber/DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2006)
Leben mit der Fatwa

Der 1947 in Bombay geborene Schriftsteller Salman Rushdie wurde durch sein Buch Mitternachtskinder weltberühmt, für das er 1981 den Booker Prize erhielt. Die Satanischen Verse lösten 1988 in der muslimischen Welt Proteste aus – ähnlich wie im jüngsten dänischen Karikaturenstreit. 1989 rief Ayatollah Khomeini in Form einer Fatwa zur Ermordung Rushdies auf; dieser musste daraufhin untertauchen. Trotz vieler diplomatischer Bemühungen hat der Iran die Fatwa nie zurückgezogen. Viele seiner späteren Bücher wie The Ground Beneath Her Feet (1998) und Fury (2001) wurden von zahlreichen Kritikern verrissen. (ef)
derstandard.at

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