Sunday, August 29, 2010

Schlemmen, Shoppen und Israel hassen – alles in Ihrem Bahnhof

Wer gezwungen ist, im Raum Köln den Nahverkehr zu nutzen, ist nicht nur dazu verurteilt, sich wider besseres Wissen immer wieder in die Hände der Deutschen Bahn zu begeben, sondern muss früher oder später (meistens später) den Hauptbahnhof Köln betreten. Dort wartet unterhalb von Gleis 4 und 5 eine überteuerte und langweilige Shoppingmeile auf den Fahrgast, die zu allem Übel regelmäßig von stumpfsinnigen Dekorateuren mit eventorientiertem Firlefanz, während Welt- und Europameisterschaften mit einer Großleinwand und im Winter mit einer schäbigen Weihnachtskrippe ausgestattet wird, die Köln in seiner unschuldigen Nachkriegszerbombtheit als Thema hat.Nun ist nicht zum ersten Mal die Wanderausstellung von World Press Photo zwischen die Fressbuden gezogen, denn das Bahnhofsmanagement möchte seit längerem dem Anspruch kulturindustrieller Aufhübschung und sogar politischer Aufklärung gerecht werden. Die Passage ist im Lauf der letzten Jahre für alles Erdenkliche offen gewesen, mit Ausnahme der einzigen Ausstellung, die tatsächlich irgendeine Verbindung zum Bahnhofsgebäude hätte vorweisen können: Gegen die Photographien damals noch lebender jüdischer Kinder, die später mit der Bahn nach Auschwitz und zu den anderen Endhaltestellen der Vernichtung gefahren wurden, erhob noch Bahnchef Mehdorn trotz großen öffentlichen Interesses persönlich Einspruch: „Auf Bahnhöfen herrscht Hast und Eile. Es sind keine Orte für ein derart ernstes Thema wie den Holocaust. Es kann dort keine seriöse, tiefgehende Befassung mit solch einem Thema geben. Wir kennen unsere Verkehrsstationen und die Menschen, die sich dort aufhalten. Ich bin sogar geneigt zu sagen, wenn man es doch täte, wäre das kontraproduktiv. ‚Shock and go’ funktioniert nicht mehr.“ (FAZ vom 7.11.2006: „Wir Bahner brauchen keine neue Ausstellung, wir haben eine“)Doch die zur Zeit von World Press Photo betriebene, plakative Zurschaustellung palästinensischen Leidens, die, unter Auslassung jeglichen ernstzunehmenden Kontextes, dem Zuschauer wieder und wieder die Parole „Kindermörder Israel“ einhämmern soll, ist der Bahn und vielen ihrer Bahnhofsbesucher anscheinend willkommen. Im gleichen Stil wie bei der Hisbollah und der Hamas wird hier Information nur vorgetäuscht, um schockierende Bilder von Kinderleichen und Luftangriffen an den Mann zu bringen. Die wahre Botschaft der selbstverständlich preisgekrönten Bilder ist: Die Juden sind unser Unglück, sie belästigen alte Frauen, töten unschuldige Kinder und bombardieren wehrlose Städte. Ein unausgesprochenes Einverständnis von Ausstellern und Publikum sorgt für einen steten Andrang vor dem Prachtstück der Ausstellung, dem toten Mädchen im Schutt; ein Bild, das selbstverständlich niemanden unberührt lässt.
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