Sunday, May 19, 2013

That´s not Cricket: „Durchgedrehte Irre“ – hochrangiger Tory beleidigt seine Basis

von Gerrit Liskow
Bei den britischen Konservativen liegen offensichtlich die Nerven blank. Nachdem die Tory Party in Wahlen einige herbe Niederlagen einstecken musste (vor allem wegen ihrem Ja zu „Mehr Europa“) sorgen jetzt die beleidigenden Äußerungen eines namentlich nicht näher definierten „hochrangigen“ Konservativen für Unbehagen in der Partei.
Lord Feldman jedenfalls dementiert seit dem Wochenende alle auf den üblichen „sozialen“ Medien kursierenden „Gerüchte und Andeutungen“, wonach er am Rande einer Tagung der „Konservativen Freunde von Pakistan“ am Mittwoch aus einem privaten Hotelzimmer im Intercontinental Hotel von Westminster gekommen wäre umim Small-talk mit drei Journalisten (Times, Telegraph und Daily Mail) die Tory-Basis als „mad swivel-eyed loons“ / „bösartig durchgedrehte Irre“ zu bezeichnen.
Wie er seine Tory-Basis stattdessen genannt haben will, geht aus Lord Feldmans Beteuerungen leider nicht hervor. Er ließ aber verlautbaren, er habe die Tory-Basis „in den letzten acht Jahren für hart arbeitende, anständige und vernünftige Leute“ gehalten; nun ja, viel verrückter kann man wahrscheinlich wirklich nicht sein.
Die Rede war in den Berichten allerdings nur von einem „hochrangigen“ Tory „aus dem näheren Umfeld von Mr Cameron“, und nicht von Lord Feldman selbst. Dass dieser sich nun zu derartigen Dementis bewegt fühlt, könnte dem Umstand geschuldet sein, dass er sich durch die auf den „sozialen“ Netzen kursierenden „Gerüchte und Andeutungen“ unter Druck gesetzt fühlt?
Indes gehört Lord Feldman sicherlich zu Mr Camerons „näherem Umfeld“, haben die beiden doch in den 80ern zusammen Brasenose College in Oxford besucht. Was allerdings nicht allzu viel heißen muss, denn bei einer ganzen Menge von Mr Camerons „näherem Umfeld“ – mit Sitzplatz am Kabinettstisch und ohne – soll es sich um gute alte Public-School-Freunde handeln.
Es bedarf keinerlei besonderer Phantasie um sich auszumalen, was in diesen fiebrigen jungen Gehirnen vorgegangen sein muss, als sich in Eton, Cambridge und Oxford herumgesprochen hatte, dass der Tory Party im kommenden Jahrzehnt ein Generationswechsel ins Haus steht.
Eine Erkenntnis, die den heute regierenden „Politikern“ der Tory Party praktischer Weise genau in dem Moment dämmerte, als es darum ging, sich einen Platz im Leben zu erobern. „Politische“ oder andere Überzeugungen dürften damit nur wenig zu tun gehabt haben – vielleicht mal abgesehen von dem Wunsch, sich einen gewissen Lifestyle zu bewahren.
Nun ist es aber so, dass das Wort „swivel-eyed“ / „durchgedreht“ im offiziellen Sprachgebrauch der aktuellen Regierung bereits seit über einem Jahr angekommen ist. Da wäre erstens ein Artikel in der Financial Times, in dem von einem Mr Cameron berichtet wird, der alle Kollegen, die mit ihm über „Europa“ reden wollen, als „durchgedreht“ bezeichnet; der Bericht ist niemals dementiert worden.
Und zweitens sind Streitigkeiten über prominente Tories und deren Gebrauch beleidigender Begrifflichkeiten erst letztes Jahr unschön in Erscheinung getreten, als Andrew Mitchell, damals Fraktionsvorstand der Tories, einen Polizisten als „Proll“ bezeichnet haben soll, nachdem der Beamte Mr Mitchell darauf hingewiesen hätte, in der Fußgängerzone bitte nicht mit dem Fahrrad zu fahren; Mr Mitchell bestreitet diese Episode entschieden.
Zur Unterstützung ist Lord Feldman am Wochenende sein Vorstandskollege Mr Shapps zur Seite gesprungen (der ebenfalls seinen Platz im „politischen“ Leben finden möchte?). Mr Shapps hat zu verstehen gegeben, dass der Beschuldigte – dessen Name in den Presseberichten niemals aufgetaucht ist – inzwischen aller Welt versichert habe, er wäre es nicht gewesen und dass er, Mr Shapps, ihm das glaube. Mr Shapps ließ sich zu keinerlei Spekulationen darüber hinreißen, ob er vielleicht der Einzige sein könnte, dem das so geht.
Am Freitag hatten Berichte in der Times, im Telegraph und der Daily Mail über einen „hochrangigen“ Tory für allerlei Spekulationen gesorgt, wer das gewesen sein könnte, der sich darüber beklagt, dass den Parlamentsabgeordneten der Tory Party angeblich „extreme“ Position bezüglich „Europa“ aufgedrängt würden, um den bei ihrer Basis in der Frage der EU-Mitgliedschaft verlorenen Boden wieder gut zu machen.
Lord Feldman bestätigte, am Rande einer Abendveranstaltung der „Konservativen Freunde von Pakistan“ am Mittwoch mit drei Journalisten gesprochen zu haben. Außer den Journalisten soll auch ein namentlich nicht genannter Beamter bei diesem Gespräch anwesend gewesen sein. Dieser inzwischen sogenannte „fünfte Mann“ kann sich praktischer Weise aber an nichts mehr erinnern, was gesagt worden ist, vor allem nicht öffentlich.
„Swivelgate“ hätte für die Regierung Cameron zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. In einer aktuellen Umfrage sind 46% aller Befragten für einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Es ist nur schwer vorstellbar, dass alle diese Menschen „durchgedreht“ sind, und unwahrscheinlich, dass alle von ihnen Freude daran hätten, sich von „hochrangigen“ Tories als „bösartige Irre“ bezeichnen zu lassen.
 haolam

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