Saturday, June 15, 2013

Deutsche Außenpolitik: Syrien, Obama und der Frieden

von Gerrit Liskow
Genau im selben Moment, in dem sich mit der Ankündigung von US-Präsident Obama, in Syrien sei eine „rote Linie“ überschritten worden, eine Parteinahme der West-Alliierten zugunsten der syrischen Opposition abzeichnet, wird vom Moralweltmeister Germany mal wieder der Pazifismus beschworen.
Wissen doch die üblichen Schlaumeier zu verkünden dass a) Krieg immer die verkehrte Lösung sei, b) man letztlich doch nur den falschen Leuten aufs Pferd helfe und c) Abwarten und Teetrinken sowieso das Beste wäre.
Selbstverständlich lassen sich diese drei Argumente beliebig kombinieren, woraufjede intellektuell mittelständige deutsche Blogredaktion sich versteht. Nun ist das alles kein Zufall, denn nicht erst seit Nicole weiß die Welt, dass Deutschland nichts so sehr liebt, wie Frieden – vor allem aber Ruhe und Ordnung.
Von letzterem gibt es in Syrien reichlich: Die Ruhe und Ordnung eines Massengrabes. 93.000 Menschen sind gemäß den von den UN am Mittwoch veröffentlichten Zahlen mindestens gestorben. Mindestens, weil die UNO selber weiß, dass ihre Statistiken unvollständig sind.
Abgewartet und Tee getrunken hat man also lange genug, würde man meinen. Nichtsdestotrotz ist das genau das, was Catherine Ashton jetzt in ihrer Funktion als Außenministerin der Brüsseler Beamtendiktatur empfiehlt. Abwarten, Teetrinken und eine UN-Fact-Finding-mission. Na super!
Nun werden sich einige erinnern, was geschehen ist, als die Arabische Liga nach Syrien reiste, um sich von der Lage auf dem Gebiet der Menschenrechte zu überzeugen. Es konnte dieser Delegation nicht entgehen, dass sie von Herrn Assad nach Strich und Faden verarscht wurde – weshalb sie nach ein paar Tagen unverrichteter Dinge wieder abgereist ist.
Ms. Ashton muss davon so angetan gewesen sein, dass sie dasselbe auch noch einmal möchte. Andererseits sind aber auch grade Wahlen bei ihrem größten Nettobeitragszahler. Eine militärische Intervention mit dem Plazet der EU käme schlecht, wo Mutti doch gerade auf den Flutwellen der Sympathie in jedes deutsche Herz (m/w) gespült worden ist.
Tja, da hat der Herr Assad mit dem Wetter in Deutschland wirklich Glück gehabt! Aber solange sein Lehnsherr die Hand über ihn hält, wird dem „säkularen und republikanischen“ (dreimal dürfen Sie lachen, liebe Leser) Syrien unter seiner Knute nichts Schlimmes geschehen.
Als sich abzeichnete, dass die Lage instabil wird, hatten die Franzosen immerhin den Anstand, auf die verzweifelte Lage in ihrer ehemaligen Nahost-Kolonie aufmerksam zu machen und sich in London und Washington intensiv um Abhilfe zu bemühen.
Der Werdersche Markt hingegen war angesichts der humanitären Katastrophe in Syrien lediglich darum bemüht, zwischen deutschen Gazprom-Interessen in Moskau, kritischem Dialog in Teheran und den Steuereinnahmen des Exportweltmeisters in China zu triangulieren. Und zwar möglichst so, dass der deutschen Import-Export-Branche kein Schaden entsteht.
Der moralische Bankrott der deutschen Außenpolitik ist allerdings nicht erst seit den „Warnungen“ (Drohungen?) vor den Folgen einer Einmischung seitens der USA in Libyen bekannt. Denn wovon reden wir hier überhaupt? Der US-Präsident möchte es erlauben, die syrische Opposition mit Handfeuerwaffen zu beliefern.
Nun ja, damit kann man vielleicht einen Parkplatz vor der Shopping-Mall erobern, aber ein ganzes Land verteidigen kann man damit nicht. Deshalb gibt es vielleicht noch eine Flugverbots-Zone gratis dazu. Aber nur, wenn man sicher sein kann, dass es im neuen Syrien nicht allzu religiös zugehen wird.
Was im Fall Libyen jedenfalls nicht geschehen ist, denn soweit konnten selbst die Steinzeit-Fundis die Uhr nicht zurückdrehen – immerhin dazu war die Säkularisierung unter Gadhafi nützlich. Mit anderen Worten: Syrien ist – nach zwei Jahren Zuwarten – ein Fall geworden, in dem man den falschen Leuten gar nicht mehr aufs Pferd helfen kann, denn sie sitzen schon drauf.
Bleibt die Fundamentalopposition „gegen Krieg“. Das ist der deutsche Sonderweg, auf dem auch Baronet Ashton aus Brüssel sich bewegt, als Speerspitze der deutschen Friedensbewegung, die von Kinderbuchautorin Margot Käßmann bis tief in die Kreisverbände der GEW, pardon: der „Linken“, reicht.
Diesem Milieu ist eine wichtige Lektion aus dem Kapitel Re-Education in den falschen Hals gerutscht. Denn seit sie ihre Weltkriege – unter enormen Schäden, die unschuldigen Dritten entstehen – zu verlieren pflegen, sind alle „Linken“ gegen Krieg. So ist das eben, wenn man zwischen Primär- und Sekundärtugenden nicht zu unterscheiden weiß.
So ähnlich, wie ja ab einem bestimmten Grad alle Deutschen gegen Hitler waren – nämlich ab einem bestimmten Stalingrad – erlebt der deutsche „Pazifismus“ nun eben nicht seinen Damaskus- sondern seinen ganz anderen Moment: Den, in dem der ehrenwerte Pazifismus genau das reproduziert, vor dem er wegzulaufen versucht. In diesem Punkt ist der Pazifismus dem Antifaschismus wie aus dem Gesicht geschnitten, der sich ebenfalls öfter als gut wäre als seine eigene Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erweist: in dem Wunsch, es nicht wahrhaben zu wollen.
Mal wieder empfehlen sich die deutsche Ideologie und ihre vornehmste Ausdrucksweise, die „europäische“ Außenpolitik, als freiwillig-unfreiwillige Handlanger und Erfüllungsgehilfen nicht nur des Verrats, sondern des Verbrechens am Menschen. Um sich nicht einzugestehen, dass die mindestens 93.000 Toten in Syrien auch auf dem eigenen Mist gewachsen sind, fantabuliert das deutsche Bessermenschentum derweil von FAZ bis taz gerne von Imperialismus und US-Interessenpolitik, als ob damit alles gesagt wäre.
Und in Oslo lässt sich eine EU mit dem Friedensnobelpreis dekorieren, die auf dem Balkan solange zugewartet und hohle Phrasen gedroschen hat, bis zehntausende an den Folgen ihrer „Friedens“-Politik bitterlich verendet waren.
Genauso hat es sich nun in Syrien zugetragen. Offensichtlich hat man in Brüssel und Berlin aus der „Balkanpolitik“ gerade genug gelernt um zu denken, dass man damit durchkommen kann. Und so wurde nun eben Syrien zwei Jahre lang nicht zuletzt aus deutschem Interesse balkanisiert. Sprich: Man hat tatenlos zugesehen, wie Staatsterror gegen die Opposition in einen Bürgerkrieg eskaliert und sich darauf auch noch was eingebildet!
(Nicht umsonst standen am „Neubeginn“ der deutschen Kulturnation der Waffen-SS-Günni und der Pillen-Heini Böll, der zu seiner Zeit bei der Wehrmacht vor allem dann hilfesuchend an seine Eltern schrieb, wenn die Aufputschmittel alle waren, mit denen der „Blitzsieg“ wahr werden sollte. Kein Wunder, dass er heute bei den Grünen so beliebt ist.)
Der Pazifismus des kritischen Dialogs und die Diplomatie der politischen Lösung haben die Menschen in Syrien genau an die Stelle gebracht, vor der wir jetzt stehen: Vor einem Massengrab, das es nicht gäbe, wenn man sich nicht viel zu lange „neutral“ verhalten hätte, im Vollrausch der moralischen Überlegenheit.
Apropos UN-Friedensmission: Die ersten, die sich nun am Golan mal wieder aus dem Staub gemacht haben, als sie gefragt gewesen wären, ihren Job zu machen, sind die Blauhelme gewesen. Zumindest die aus Österreich. Handelt es sich bei diesem schönen Ministerium am Minoritenplatz eigentlich um eine Filiale vom Auswärtigen Amt?
haolam

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