Friday, January 16, 2015

Na klar, die Opfer des Terrors sind letztlich selbst schuld!

Zu Beginn dieser Woche, als endgültig feststand, dass es auf diesem Planeten außerhalb des Islamischen Staates praktisch niemanden mehr gibt, der nicht „Charlie“ ist, brachte auch der österreichische Bundespräsident seinen legendären Mut in Stellung und verkündete dem zum Neujahrsempfang angetretenen Diplomatischen Corps: „Je suis Charlie!“Heinz Fischer bewies mit seiner Bekennung vor allem eines: wie situationselastisch er Marginalien wie Meinungs-oder Pressefreiheit zu beurteilen imstande ist. Denn 2006, als die berühmten dänischen Mohammed-Karikaturen für Zoff sorgten, war er noch nicht so wirklich Charlie: „Wenn ein sogenanntes Abbildungsverbot ein wesentliches Element einer Religion bildet, dann soll und darf man nicht doppelt gegen diesen Grundsatz verstoßen, indem nicht nur das Abbildungsverbot durchbrochen wird, sondern durch eine karikierende Darstellung der kränkende Tabubruch noch verstärkt wird“ (Rede vor dem Europarat, Februar 2006). Der Bundespräsident behauptet also heute, metaphorisch jemand zu sein – Charlie –, dessen Verhalten er als unzulässig („Man darf nicht“) und ungehörig („man soll nicht“) bezeichnet hat. Vom Standpunkt der intellektuellen Redlichkeit und Konsistenz ist da noch etwas Luft nach oben. (Dass er das Saudi-Propagandazentrum in Wien verteidigt, passt übrigens bestens in dieses Bild.) Heinz Fischer ist freilich nicht der Einzige, der uns in diesen Tagen zeigt, dass eine konsequente Haltung, wie sie die „Charlie Hebdo“-Redaktion bewiesen hat, außer Ärger nicht viel bringt. Im „Profil“ war etwa vor zwei Jahren noch zu lesen: „Die Anhänger Mohammeds offensiv mit Satirischem zu verletzen – das tut man einfach nicht. Da mögen die ,Charlies‘ und ,Titanics‘ noch so aufklärerisch daherkommen und sich als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit gerieren.“ Und weiter: „Im Westen sollte man aber mit den Mohammed-Verarschungen Schluss machen. Sie sind letztlich für den Tod unzähliger Personen mitverantwortlich.“ Na klar: Die Karikaturisten sind irgendwie für ihren eigenen Tod selbst verantwortlich, weil sie nicht „mit den Mohammed-Karikaturen Schluss gemacht“ haben. Diese Woche freilich las sich das, sozusagen umständehalber, ein wenig anders: „Charlie Hebdo“, so formulierte der gleiche „Profil“-Autor empathisch, habe „seit Jahr und Tag zu intelligentem Lachen verführt“ und stünde „fest in der Tradition jener Aufklärung, die nicht nur der französischen Republik, sondern der ganzen Welt den Wertekanon der Menschenrechte, der Toleranz und des Universalismus hinterlassen (hat)“. Dass nicht nur ein toter Fisch mit dem Strom schwimmt, bewies „Profil“ auch eindrucksvoll mit seiner jüngsten Titelgeschichte „Was den Islam gefährlich macht“. Denn wer, wie etwa Henryk Broder, Thilo Sarrazin, Alice Schwarzer (oder der Autor dieser Kolumne) auch nur moderat islamkritische Thesen vertrat, ist von „Profil“ nach dem Massaker des Anders Behring Breivik gnadenlos und namentlich als jemand bezeichnet worden, der „die Paranoia eines Einzeltäters salonfähig macht“, als publizistischer Mittäter Breiviks also. Wenn das je gestimmt hätte, was macht dann „Profil“ 2015 mit einem Cover „Was den Islam gefährlich macht“ eigentlich salonfähig? Es war freilich kein Privileg des heimischen Justemilieu, seine Haltung situationselastisch an das Wehen des Zeitgeistes angepasst zu haben. Da war etwa, eingeladen vom französischen Staatspräsidenten François Hollande, in der ersten Reihe der am Sonntag in Paris Hand in Hand gegen den Terror protestierenden Politiker auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu sehen. Er war einst im terroristischen Milieu unter seinem Künstlernamen Abu Mazin bekannt. „Wir kotzen auf all die Leute, die sich plötzlich unsere Freunde nennen“, hat der holländische „Charlie Hebdo“-Zeichner Bernard Holtrop dieser Tage gemeint. Man kann ihn irgendwie verstehen.
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