Sunday, April 26, 2015

Amnesty und der Antisemitismus

Vor wenigen Tagen fand die Jahreskonferenz der großen britischen Sektion statt, auf der wie immer auch über diverse Resolutionsentwürfe abgestimmt wurde. Einer davon ging auf die Initiative des Mitglieds Andrew Thorpe-Apps zurück und betraf den wachsenden Antisemitismus in Großbritannien. Judenfeindliche Zwischenfälle haben dort im Jahr 2014 nach Angaben des Community Security Trust, der die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft gewährleisten soll, ein Rekordniveau erreicht: 1.168 gemeldete antisemitische Aktivitäten bedeuten eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.
In seinem Antrag regte Thorpe-Apps deshalb an, im Vereinigten Königreich eine Kampagne gegen Antisemitismus zu organisieren und die britische Regierung aufzufordern, mehr gegen die stetig wachsende Judenfeindschaft zu unternehmen. Der Vorstand der britischen Sektion von Amnesty versprach, die Eingabe zu unterstützen. Doch auf der Konferenz wurde die Resolution abgelehnt – als einzige von insgesamt 17. Neil Durkin, der Pressesprecher von Amnesty Großbritannien, sagte: »Nach einer wirklich interessanten Debatte, in der jeder sämtliche Diskriminierungen religiöser und ethnischer Gruppen ablehnte, beschlossen die Mitglieder, dieser Resolution nicht zuzustimmen, weil in ihr nur für eine bestimmte Gruppe eine Kampagne gefordert wird.«
Eine seltsame, um nicht zu sagen befremdliche Begründung. Schließlich fanden auf der Konferenz beispielsweise die Resolutionen gegen Straflosigkeit in Guatemala, gegen die Verletzung der Rechte kolumbianischer Aktivisten und gegen die Inhaftierung von Asylsuchenden in Großbritannien jeweils eindeutige Mehrheiten. Im Jahr zuvor wurden Resolutionen zur Entkriminalisierung von Sexarbeit, zu Guantánamo und zur menschenrechtlichen Lage in Sri Lanka verabschiedet. 2012 hatte Amnesty einen Bericht zur wachsenden Islamfeindlichkeit in Europa veröffentlicht und die europäischen Regierungen zum Handeln aufgefordert, 2010 war in einem Beschluss die verbreitete Diskriminierung und Gewalt gegen Sinti und Roma verurteilt worden. Allesamt fraglos Aktivitäten für »bestimmte Gruppen«.
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