Thursday, August 20, 2015

EInmal um die halbe Welt: Der Dschungel von Calais

von Gerrit Liskow 

Theresa May, die britische Innenministerin, traf gestern bei ihrem französischen Counterpart ein um mit ihm über die Krise in Calais zu konferieren. Es ist davon auszugehen, dass dieses cordiale Tête-à-tête genauso viel bringt, wie alle vorhergehenden Versuche, jenes Dilemma zu lösen, das allgemein als „Dschungel“ bekannt ist - nämlich gar nichts.
Der „Dschungel“ ist jenes Ensemble aus Pappe, Wellblech und Bretterbuden, das man sonst nur aus der sogenannten Dritten Welt kennt und das dort unter dem Namen „Favela“ seit Jahrzehnten Furore macht.
Die EU hat diese Errungenschaft ihrer gescheiterten Immigrationspolitik im Laufe der letzten Monate und Jahre freiwillig-unfreiwillig nach Europa importiert, aber darüber wird im Staatsfunk und der ihm angeschlossenen Soraya-Presse kein kaffeeheißer Atem vergeudet, wenn dort von Flüchtlingen die Rede ist.
Im „Dschungel“ leben schätzungsweise 5.000 Menschen, überwiegend aus Westafrika. Die aufmerksame Kundschaft des deutschen Staatsfunks „weiß“ (vor allem in den ganz besonders uffjeklärten Milieus), dass das alles Flüchtlinge sind, weil es ihnen auf der Papageienschule von TAZ und ARD so beigebracht wurde.
Aber stimmt das auch? Sind das alles Flüchtlinge? Selbstverständlich nicht – zumindest nicht im Sinne aller allgemein üblichen Flüchtlings-Definitionen.
Angesichts der intellektuellen Trägheit und politischen Skrupellosigkeit, mit der die Rede von den „Flüchtlingen“ in Massenmedien insbesondere linker Art verwendet wird, kann mit dem Begriff alles Mögliche gemeint sein: Existenziell bedrohte Yasidis aus dem Irak genauso, wie Wirtschaftsmigranten aus Westafrika.
Alle, die schon mal im wirklichen Leben und in situ mit Flüchtlingen zu tun hatten (das schließt einen Großteil linker Flüchtlingsinitiativen vermutlich aus), wissen, dass es sich bei Flüchtlingen um eine soziodemographisch bemerkenswert heterogene Gruppe handelt.
Real existierende Flüchtlinge sind fast ebenso vielfältig wie die soziale Grundgesamtheit, aus der sie stammen und deren quasi-repräsentativen Querschnitt sie bilden: vom Greis bis zum Baby ist alles vertreten. Frauen reisen in Familienverbänden, möglichst mit ihren Ehemännern, und ihren meist recht zahlreichen Kindern.
Nur junge Menschen, vor allem jene jungen Männer, die wir allabendlich in den Fernsehnachrichten vom „Dschungel“ kennen, sind unter den tatsächlichen Flüchtlingen auf bemerkenswerte, auffallende Art und Weise unterrepräsentiert. Aber die uffjeklärten Milieus merken nichts davon; das muss an ihrem kritischen Bewusstsein liegen…
Wie gesagt: Die praktische Erfahrung zumindest in jenen Flüchtlingslagern, die von der UNO und der Türkei im Nahen Osten betrieben werden, lehrt, dass Flüchtlinge in der Regel aller Fälle nicht nur aus jungen Männern unter 30 bestehen. Sondern aus Greisen, Babys, Familienverbänden.
Sind die Einwohner des „Dschungels“ von Calais nun als Flüchtlinge im Sinne der obenstehenden Flüchtlingsdefinition? Manche von ihnen vielleicht, aber alle von ihnen sicherlich nicht.
Sie können sich in Lagos oder Brazzaville eine Eintrittskarte für die vermeintlich heile Welt in der angeblichen „Festung Europa“ kaufen, meine Damen und Herren, für ein paar tausend Euro. Es ist nicht gerade, wie das Buchen einer Urlaubsreise (es sei denn, sie reisen mit einem Billiganbieter).
Aber dafür können Sie verlangen, dass Sie so weit es geht an die Grenze eines Landes gebracht werden, in dem Sie dann Ihren Einreise- oder Asylantrag stellen ; und je nach dem, was einfacher ist, wählen Sie bitte das eine oder das andere (Stichwort „Eigenverantwortung“).
Nach der Bezahlung des Menschenschmugglers Ihres Vertrauens landen Sie nach ein paar Tagen entweder in Libyen oder der Türkei. Dort wird die zweite Rate fällig und nachdem angesehene Seelenverkäufer Sie auf einem ostentativ nicht-seetauglichen Wasserfahrzeug in internationale Gewässer verbracht haben, werden Sie mit etwas Glück von der Royal Navy oder von sonst wem gerettet, der es gut mit Ihnen meint.
Nur noch ein paar Formalitäten in Italien oder Griechenland und wenige Tage später erreichen Sie mit Bus oder Bahn das Ziel Ihrer Reise: den „Dschungel“.
Es geht eine Menge schief und ab und zu sterben recht viele Menschen auf einmal, weil die Rettung aus Seenot dann doch nicht so funktioniert, wie die Menschenschmuggler es ihren Passagieren gerne glaubhaft machen, aber im Grunde ist dieses Gewerbe keine Raketenwissenschaft.
Nur ist das nicht der springende Punkt. Sondern: Ist man ein Flüchtling, wenn man ein paar Tausender seines über viele Jahre hart und sauer Ersparten für eine so abenteuerliche Reise hingeblättert hat?
Hat man dann Hals über Kopf alles stehen und liegen gelassen um seine nackte Haut zu retten? Hat man ein paar Habseligkeiten auf einen Karren geschmissen und die Oma samt Miezekatze obendrauf?
Vermutlich nicht; ich weiß allerdings nicht, wie viele Omas mit Miezekatze es im „Dschungel“ gibt.
Sie sehen, die intellektuelle Trägheit des Klüngels aus Staatsfunks und „politischer“ Kaste (ergo: der uffjeklärten Milieus) tut niemandem außer sich selbst einen Gefallen; vor allem nicht jenen Flüchtlingen, die wirklich jede mögliche Hilfe verdienen.
Was nicht heißt, dass den Wirtschaftsflüchtlingen nicht ebenfalls zu helfen wäre: zum Beispiel mit einer transparenten, logisch nachvollziehbaren EU-Immigrationspolitik. Nur wenn die Brüsseler Beamtendiktatur nicht mal die unwichtigen Probleme lösen kann - wie soll das dann mit den wirklich wichtigen Fragen gehen?
Es ist aus meiner Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar, dass ein junger gut ausgebildeter Zahnarzt aus Nigeria sich nicht an allen Orten niederlassen können sollte, in denen die Zahnärzte knapp sind; oder dass eine junge intelligente Software-Expertin aus Mali bei Staatsbehörden wie Post oder Bahn eine ihrem Qualifikationsniveau entsprechende Karriere startet.
Nur genau dazu wird es nach geltendem EU-Recht niemals kommen: Denn da hat ein Straßenfeger aus Bukarest oder Lissabon einfach viel bessere Rechte, als die beiden eben gestellten Beispiele. Die können beide in die Röhre gucken und landen nach der Einreise – bestenfalls! – im „Dschungel“. Merci, EU, das nenne ich Rassismus.
Aber auch den Menschen, die legal in die EU einreisen und sich in Deutschland niederlassen durften, haben sich nicht unbedingt einen Gefallen getan, indem sie den Sirenensängen der deutschen „Politik“ lauschten.
Viele der hervorragend qualifizierten Fachkräfte aus der ehemaligen Sowjetunion, die Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhundert ausreisen durften, mussten nach ihrer Einreise für eine Tätigkeit als Nachtwächter oder Taxifahrer dankbar sein (beides ehrbare Berufe, aber darum geht’s nicht).
Nämlich weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt wurden um die Besitzstände jener zu wahren, die sich schon länger an den Fleischtöpfen Germanys laben durften; wäre ja auch blöd, sich Konkurrenz ins eigene Haus zu holen, nicht wahr, verehrter Hartmann-Bund?
Wie Sie sehen, ist die Klinge der widersinnigen EU-Immigrationspolitik auf beiden Seiten scharf, meine Damen und Herren: Die Leute, die wirklich etwas können und in diesem Land von Nutzen wären, dürfen nicht einreisen. Wenn sie es doch versuchen, werden sie in die Illegalität gedrängt.
Und dürfen Sie ausnahmsweise doch legal aus dem Nicht-EU-Ausland einreisen, dann werden Sie in eine Ecke des Arbeitsmarkts gedrängt, in der Sie für die tonangebenden Standesvertretungen kein Risiko bedeuten; und nach fünf Jahren ist man eben auch kein Nuklearmediziner mehr, egal wie lange man in der ehemaligen SU als solcher gearbeitet hat.
So zynisch ist die EU-Unrechtsorganisation, aber es wird noch besser. Denn was macht nun die zahlende Kundschaft jenes ungeregelten großen Grenzverkehrs, wenn sie via Mittelmeer in der „Festung Europa“ eingetroffen ist? (Ich schließe da ausdrücklich alle Menschen aus, die tatsächlich vor Krieg und Verfolgung fliehen.)
Nun, es gibt selbstverständlich auch in den uffjeklärten Milieus Tätigkeiten zu verrichten, "die kein Deutscher machen würde" – nämlich weil sie zu schlecht bezahlt werden. Nicht umsonst ist die britische Labour Party inzwischen als die Cheap Labour Party besser bekannt, liebe deutsche Sozialdemokraten.
Aber wenn man die Löhne so einrichten würde, dass man von ihnen auch leben könnte, dann würden selbstverständlich all jene Jobs als Haushaltshilfen knapp, um bei Frau Oberstudiendirektor und Herrn Oberamtsrat „privat“ die Toiletten putzen.
Aber billiges Personal ist nicht der einzige Grund, aus dem die etablierten „politischen“ Stände an reichlich Zuwanderung interessiert sind.
Immerhin schießen derzeit die Flüchtlingsinitiativen ins Kraut wie die Pilze nach einem warmen Regen. Diese Gruppen, Klüngel und Vereine (Amtskirchen sind auch gerne mal dabei) haben mit Initiativen wie „Fluchthelfer“ ein neues Hobby entdeckt.
Sie müssen diese Leute verstehen, liebe Leserinnen und Leser: climate change lässt auf sich warten, Ostermarsch ist nur einmal im Jahr und das Waldsterben wurde sang- und klanglos beerdigt – wie sollen die uffjeklärten Milieus sich die Zeit vertreiben? Flüchtlinge, hurra!
Ich will es mal dahingestellt sein lassen, warum die selbsternannten „Fluchthelfer“ offensichtlich nicht zwischen einem demokratischen Rechtsstaat und einer nationalen sowie sozialistischen Diktatur unterscheiden können oder möchten, wenn sie sich freiwillig-unfreiwillig nach jenen Personen benennen, die vor vielen Jahrzehnten die allzu Ausreisewilligen aus der DDR entführten.
Aber die dem Namen der Initiative „Fluchthelfer“ zugrundeliegende Denkweise macht klar, was uns erwartet, wenn diese Leute das Sagen hätten: der Kurzschluss von nationalem und internationalem Sozialismus.
Es wurde übrigens, liebe Flüchtlingsinitiativen, außer von Euch von niemandem behauptet, dass irgendein Mensch illegal wäre – höchstens, dass er (oder sie) etwas tut, das vielleicht rechtlich nicht ganz koscher sein könnte.
Und das ist eben jene andere Funktion der bewussten Ineinssetzung von tatsächlichen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten: Die deutsche Linke will damit jene sozialen Bedingungen zu erzeugen, unter denen ihre „Politik“ endlich funktioniert; nicht anders als ihre internationalen Partnerorganisationen.
Die gerechte Verteilung des Elends durch Angleichung der Lebensumstände nach unten erzeugt jede Menge Kundschaft für „progressive“ Politik. Und die besteht nun mal im großzügigen Umgang mit dem Geld anderer Leute; diese Art von Sozialismus hört erst dann auf, wenn die Knete alle ist.
Noch einmal: Wer vor Krieg und Verfolgung flieht, hat Hilfe verdient. Auch wenn hier anzumerken wäre, dass die reichen Golfstaaten sich durch ostentative Unfähigkeit im Umgang mit ihren Brüdern und Schwestern auszeichnen; aber das traf bereits auf das Los der heute sogenannten Palästinenser zu.
Und ich kann alle verstehen, die sich aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation lieber im Ausland weiterentwickeln möchten. Auch wenn dazu anzumerken wäre, dass ein guter Zahnarzt in Lagos vielleicht doch etwas dringender gebraucht wird, als in Leipzig, und eine gute Softwareexpertin in Brazzaville gefragter sein könnte, als in Bremen; Stichwort brain drain.
Australien hat die Schotten vor Jahren dicht gemacht und als sich das erstmal rumgesprochen hatte, brachen auch so gut wie keine boat people mehr gen Oz auf. Allerdings hat Australien auch ein nach logisch nachvollziehbaren, sozial sinnvollen Kriterien ausgerichtetes Einwanderungsrecht etabliert. Das ist in „Youroop“ nicht abzusehen.
Die eigentliche Ironie des Ganzen besteht natürlich darin, dass diese armen Menschen sich mangels besserer Alternative ausgerechnet in die EU begeben. Dieses politische Katastrophengebiet ist die einzige Schrumpfwirtschaft der Welt. Sie wird in der langfristigen Perspektivlosigkeit nur von Zimbabwe übertroffen und Mugabe will nicht mal Griechenland „retten“.
Aber sind die Migranten erst mal erfolgreich eingereist, werden sie mir nichts dir nichts weiter ausgenutzt; ironischerweise wiederum von denen, die ihnen angeblich helfen möchten: als billige Zugehfrauen, Gärtner und Pflegehilfen oder als „politisches“ Kanonenfutter von Flüchtlingsinitiativen im Kampf gegen den Kapitalismus.
Der Nachwuchs dieser Vorfeldorganisationen bereitet sich in den vielbesagten linken „Zusammenhängen“ auf seine Kader-Karriere in den Organen von Partei(en) und Staat vor, möglicherweise sogar auf eine Tätigkeit im produktiven Verwertungszusammenhang. Was kann da noch schief gehen?
PS
Till Schweiger – Deutschlands größter Weltstar, der keiner wurde – sieht aus und benimmt sich so, als ob er mitten in einer fulminanten Midlife-Krise steckt. Herrn Schweigers Meinung würde mich eventuell sogar interessieren, wenn es um Dinge ginge, von denen er etwas versteht. Ich weiß nur nicht, welche das wären.
Aber möchte Thalias Quittung für Alexis Tsipras nun eine weitere deutsche Links-Partei gründen, einfach nur seinem Bauchgefühl Luft machen, oder steckt er mitten in den Vorbereitungen zu seiner neuen Rolle als hässlicher alter Mann? Oder alles drei zusammen?

 haolam

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